"Mühltals Mühlen - Müllers Lust"
Unter dem Slogan "Warum denn in die Ferne schweifen ...." nutzten die Wanderer des Turnverein 1894 Nieder-Beerbach im goldenen Oktober die Gelegenheit, den angrenzende Gemarkungen, Eberstadt, Nieder-Ramstadt und Waschenbach einen Besuch abzustatten.
Gezielt diente die von Karl Heinrich Schanz (Traisa) und Volker Teutschländer (Nieder-Ramstadt) jüngst herausgebrachte Broschüre des Geoparks Bergstrasse Odenwald "Mühltals Mühlen - Müller's Lust" den 25 Wanderern als Wegbegleiter.
Von der Jahnturnhalle führte der Weg der zuerst zu einer der 31 Wassermühlen in Mühltal. Es war die frühere Ölmühle, später Säge- und Mahlmühle der Geibelsmühle im Norden von Nieder-Beerbach, Mühlstrasse 59. Das Sandsteinwappen am Torbogen erinnert noch an die Müllerzunft. Heute wird auf dem Mühlengehöft Landwirtschaft betrieben. In Katasterkarten wird die Hofreite als Schneidmühle bezeichnet. Ein zweites untergegangenes Dorf soll Unter-Beerbach geheißen und auf der linken Seite Richtung Eberstadt in der Nähe der Schneidmühle gelegen haben. Für seine Existenz sprechen Mauerüberreste, sowie Stücke einer gepflasterten Strasse im Felde.
Über den Unteren Weg vorbei an der links gelegenen Krämersmühle (Neurothsmühle) gelangte man zur Waldmühle auf dem Beerbach, die zuerst im 18. Jahrhundert als Gerber- und Walkmühle betrieben wurde. Danach wurde sie 1850 zur Mahlmühle umgebaut, später kam noch eine Gaststätte mit schönem Gartenlokal hinzu. Einen Einblick in den ehemaligen Mühlenbetrieb gab unser Ehrenmitglied, die Müllertochter Lieselotte Krämer. Die Auffälligkeiten des über 8 Meter Durchmesser zählenden Mühlrades, dem größten in Mühltal, fanden ehrfürchtige Zuhörer. Erfrischende Getränke, serviert von den Hausbesitzern und Süßigkeiten für die Kinder, wurden dankbar angenommen.
Der weitere Weg führte durch den Weiler Mordach. Hier wurde bis 1943 eine industrielle Ziegelei betrieben, die vor Ort Backsteine aus riesigen Tongruben herstellte. Diese Backsteine wurden "Russen" genannt. Gegen Ende des letzten Krieges wurde der Maschinenpark abmontiert und durch die Organisation "Todt" in das besetzte Russland gebracht. Selbst die Spezialsteine des 30 Meter hohen Schornsteins kamen zu diesem Zeitpunkt nummeriert nach Osten. Von den zahlreichen Bautümlichkeiten nahm, im engen Tal geschützt, eine FLAK-Einheit der Wehrmacht Besitz. Seit über 100 Jahren dient das "Haus Burgwald" als Diakonische Therapieeinrichtung für alkoholabhängige Männer zur Entwöhnung und belegt mit heilsamen Erfolg im Bund einen respektablen Platz. Gegenüber steht die Zehmühle, die im 19. Jahrhundert als Nagelfabrik diente. Schon 1703 wurde sie in den Archiven "Mordachmühle" genannt. Hier ändert sich der Bachname "Beerbach" in "Mordach". Der Bach mündet am "Kühlen Grund" in die Modau. Auf der angrenzenden Wiese befand sich die Glashüttenmühle, die als eine der ersten in Hessen 1698 von Landgraf Ernst Ludwig errichtet wurde. Die Erzeugnisse gingen an die Königschlösser in Bayern und über den Wasserweg ab Gernsheim nach Holland. Zeugnisse dieses alten Handwerks fördern immer noch Maulwürfe zu Tage, wenn auch nur in Teilrückständen aus der Tiefe.
Nun wechselte die Wanderschar wegen des starken Autoverkehrs auf der Landstrasse L3098 auf die Hangseite links der Strasse. Dieser Wanderweg (weisser Punkt) wird nächstes Jahr Jahresweg des OWK werden. Er beginnt in Stockstadt am Rhein und endet in Obernburg am Main. Erklärungen durch Friedel Germann gab es zur Frankenbergersmühle und der Waldmühle auf der Mordach (heute Therapiezentrum für Drogenabhängige) auch nach ihrem letzten Besitzer "Mahrsmühle" genannt. Vor 1686 stand an der Stelle ein für die damalige Zeit bedeutendes Gehöft, worauf neuere Entdeckungen von Eberstädter Gemarkung her unter der Erde hinweisen.
Über die neu auf Anregung von Stadtrat Ludwig Achenbach DA-Eberstadt angelegte Himmelsleiter und den Herrenweg tangierend, ging es aus aktuellem Anlass zur Baustelle "Kühler Grund/Felsnase". Die Gründungsmaßnahmen für die Fundamente der projektierten Brücken und die provisorische Kanalisierung der Modau während der Bauzeit nahe der Bundesstrasse 426 waren sehr beeindruckend.
Dies, zumal auch nicht andeutungsweise die Einmündung des schon zig Jahre gemeindeseits versprochenen Fuß- und Radweges vom Mühltaler Ortsteil Nieder-Beerbach zum Kühlen Grund zu erkennen ist. Dringend ist hier Abhilfe geboten, zumal die L3098 durch Schwerlastverkehr zum Steinbruch der OHI auch in den kommenden Jahren ein Dauerzustand bleiben wird.
Bei der Anlage eines Radweges muss auch an eine Einbuchtung für den Linienbus und an Parkplätze für Wanderer gedacht werden, die ab der Frankenbergersmühle über die Himmelsleiter zur Burg Frankenstein aufsteigen wollen.
Ein stärkendes Frühstück wurde an der Baustelle eingenommen, ehe es den geplanten Radweg südlich der Modau entlangführend weiter ging. Erklärungen gab es zur Alten und Neuen Bohlenmühle und zur Schleifmühle, die heute die heilpädagogische Christopherus Schule beherbergt. An der Pulvermühle vorbei ging es weiter zur Illigschen Papiermühle, ein gut funktionierendes mittelständiges Unternehmen zur Spezialpapierherstellung, die 1690 vom Landgrafen Ernst Ludwig gegründet wurde und damit die älteste Produktionsstätte in der Region ist. Von hier aus folgte man Wanderführer Hans Plößer vorbei an den ehemaligen zwei Bruchmühlen zum Grillplatz Boschelhütte am Mühltaler Feuerwehrstützpunkt vorbei zum Platz auf dem die Anstaltsmühle stand. Leider konnte man diese Mühle, sowie die Brückenmühle nur auf einem Bild in der bereits erwähnten Broschüre sehen.
Ein kurzer Blick zur Schneckenmühle auf dem Waschenbach und es ging in die Bachgasse in Nieder-Ramstadt zum Mühlengetriebe auf der Bleiche mit den Wappentafeln aller Mühltaler Ortsteile und des Mühltaler Gemeindewappens.
An der Modaupromenade entlang zu den ehemaligen Quickmühlen (in der Bahnhofstrasse) erreichte die Gruppe zur Mittagsrast das Gasthaus "Chausseehaus".
Gestärkt vom gutem preiswerten Essen wurde der Heimweg angetreten. Zunächst ging es durch die Bahnhofstrasse zur Kilianstrasse über die Ober-Ramstädter Strasse durch die Schillerstrasse zur Zehntscheuer und weiter hinter den Gärten der Kirchstrasse zur Schneckenmühle. Gut gelaunt an diesem herrlichen Herbsttag erklomm man die Griesbachtalbrücke am südlichen Eingang des Lohbergtunnels, hier konnte man sich vom Baufortschritt der letzten beiden Jahre überzeugen, denn die Wandergruppe hatte vor 2 Jahren schon einmal die Baustelle besichtigt. Über die Waschenbachtalbrücke mit Blick auf die Waschenbacher- und die Pinkmühle wurde der Waschenbacher Kirchberg bestiegen.
Auf dem Bernhard Kraft Weg, benannt nach dem Frankenhäuser Schuhmacher und Poet, steil bergan erreichte die Gruppe den "Dreimärker" - den Grenzstein zwischen Waschenbach, Nieder-Beerbach und Nieder-Ramstadt am Ostrand des Nieder-Beerbacher OHI Steinbruches.
Hier bot sich eine wunderbare Sicht ins Beerbachtal und auf den Frankenstein.
Mit dem Beerbachlied auf den Lippen ging es hinab über den Unteren Weg zur Jahnturhalle zurück.
Die Wanderschar dankte dem Wanderführer Hans Plößer für die gelungene Tagesgestaltung, die durch die von Adam Breitwieser zur Verfügung gestellten Aufzeichnungen bereichert worden waren. Die älteste Mitwanderin kam von den aktiven Gymnastikdamen des TV, Frau Liesel Zahner im Alter von 84 Jahren. Von der Jugend waren David Germann, Antonia Panagopoulos und Jesse und Kevin Diehl die Jüngsten von der Partie.
Der Wanderführer bedankte sich bei allen Mitwanderern und freut sich auf die Herbst-Wanderung 2007 - "Von der "Alten Burg" zur Beerbachquelle über das "Alte Schloss" zurück " gehen wird.